Offener Brief zu der Sperrung des Radweges in der Otto-Hahn-Straße bei TESA
Offener Brief zu der Sperrung des Radweges in der Otto-Hahn-Straße bei TESA an Straßenverkehrsbehörde und Verkehrsabteilung
Offener Brief zum Umgang mit Fuß- und Radverkehr bei Baustellenanordnungen
Anlässlich der aktuellen Sperrung in der Otto-Hahn-Straße bei TESA
Sehr geehrte Straßenverkehrsbehörde, sehr geehrte Polizei, sehr geehrter Herr Martini, sehr geehrter Herr Mußler,
Offenburg wurde von der AGFK (Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und FußverkehrsfreundlicherKommunen) erst vor wenigen Tagen für das Erreichen der Qualitätsstufe für Fuß- und Radverkehr gewürdigt.
Aktuell ist der gemeinsame Geh- und Radweg auf der Nordseite der Otto-Hahn-Straße im Bereich der TESA wegen Bauarbeiten gesperrt.
Die Umleitung für den Fußverkehr führt über den gemeinsamen Geh- und Radweg auf der Südseite der Fahrbahn. Wegen der Ampelanlagen, an denen jeweils eine Fußverkehrsfurt zu Gunsten des fließenden Kfz-Verkehrs weggelassen wurde, etwas umständlich, aber machbar. Entsprechende Hinweise wurden mittlerweile angebracht.
Die Umleitung für den Radverkehr verläuft auf der Fahrbahn der Otto-Hahn-Straße. Schutz bieten sollen die Anordnung von Tempo 30 und Zeichen 277.1 (Überholverbot von einspurigen Fahrzeugen).
Wir haben den Weg genutzt, der dort angeordnet wurde. Uns ist aufgefallen:
• Es ist völlig unklar, wie die Ausleitung auf die Fahrbahn auf Höhe der Überleitung zur
Straßburger Straße / B33 funktionieren soll. Bei Fahrbahn-Rot fahren und hoffen, nicht mit dem
Querverkehr zu kollidieren? Bei Fahrbahn-Grün fahren und hoffen, nicht mit dem Längsverkehr
zu kollidieren? Jedenfalls sehr, sehr vorsichtig sein!
• Die durch zwei Baken markierte Ausleitung ist für alles, das breiter als ein Standardfahrrad ist, viel zu schmal und führt auf einen von Herbstlaub versteckten Bordstein
• Nur ein einziger Kraftfahrzeugführer hat sich an Tempo 30 im Abschnitt gehalten – er wurde von mehreren anderen Kfz überholt!
• Nicht ein einziger Kraftfahrzeugführer hat sich an das Überholverbot im Abschnitt gehalten
• Die meisten Kraftfahrzeugführer haben sich beim (verbotenen) Überholen von Radfahrenden noch nicht mal an den gesetzlichen Mindestabstand gehalten
• Auf der Linksabbiegespur in den Seewinkel gab es erst nach drei Ampelumläufen Grün. Vielleicht ist dort eine Induktionsschleife, die nicht auf Fahrräder reagiert?
• Auf die Erfahrung, auf dieser Spur auf Grün zu warten, und ohne Abstand von LKW und Bussen mit über 50 km/h auf der Geradeausspur überholt zu werden, kann man verzichten
Fazit: Versierte Radfahrende mit ein paar Pfadfinderfähigkeiten, einem dicken Fell und ein bisschen Glück werden diese Verkehrsführung im Sinne der Anordnung bewältigen.
Zu diesen „starken und furchtlosen“ Radfahrenden, die sich im dichten, schnellen Kfz- und Schwerverkehr behaupten können, gehören aber nicht mal 1% aller Menschen.
Wer sicher nicht dazu gehört, sind z.B. Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg. Genau dieser Weg ist aber in der Schulradwegkarte der Stadt Offenburg fett grün markiert als Hauptradweg. „Planen Sie für Laura, 11 Jahre“ – sagt unser Bundesverkehrsministerium.
Wenn wir uns als erwachsene Radfahrende bei einer Verkehrsführung unwohl fühlen und rätseln müssen, wie sie gemeint ist: Wie würden wir sie dann einem Schulkind erklären? Würden wir es dort alleine fahren lassen?
Folglich haben wir in der Otto-Hahn-Straße beobachtet: Die meisten Radfahrenden nutzen verbotenerweise den Geh- und Radweg auf der Südseite. Das ist ohne weitere Sicherungsmaßnahmen auch nicht ungefährlich, ein weißes Ghostbike bei Graf-Hardenberg zeugt von einem tödlichen Unfall.
Menschen fürs Radfahren begeistern wird man mit solchen Lösungen nicht. Im Gegenteil – dass Eltern ihre Kinder dann lieber mit dem Auto zum Schulzentrum Nordwest fahren und damit zum Teil des Problems werden, muss (leider) nicht verwundern.
Ein paar Gedanken, was man in diesem Fall hätte anders machen können:
• Großräumig umleiten und informieren (Presse, Schulen) – damit Radfahrende gar nicht erst vor der Baustellenabsperrung stehen und überlegen müssen, wie es jetzt weitergehen soll
• Umleitung der schutzbedürftigeren Radfahrenden auf den Geh- und Radweg auf der Südseite mit Umsetzung zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen an den Einfahrten
• Sichere Fahrbahnführung etablieren – sichere, breite Ausleitung, Überprüfung der Ampelschaltungen, ggf. temporäre Radfahrstreifen, frühzeitigere und besser wahrnehmbarere
Geschwindigkeitsreduktion auf der Kfz-Fahrbahn
• Kontrollieren: Ist die Anordnung vor Ort umgesetzt? Durchführung von (öffentlichkeitswirksamen) Schwerpunktkontrollen Geschwindigkeit, Überholverbot und sicheres
Verhalten beim Abbiegen durch die Polizei
Natürlich wird individuelles Fehlverhalten nie ganz auszuschließen sein. Wenn sich aber ein Großteil der Verkehrsteilnehmenden nicht an die angeordneten Regeln hält, liegt wahrscheinlich ein strukturelles Problem vor.
Damit zurück zur Veröffentlichung anlässlich des Erreichens der AGFK-Qualitätsstufe, Zitat: „Aktive Mobilität sei[en] so einfach, sicher und bequem, dass Fuß und Rad die erste Wahl seien, […]
Dies gewährleistet in besonderem Maße die soziale Teilhabe aller sowie den barrierefreien Zugang zu Mobilität […]“
Wir denken: Gut, dass die AGFK diese konkrete Situation nicht kannte. Und viele andere in Offenburg. In den letzten Wochen z.B. wirre Beschilderungen an der Hauptstraße oder an der Unionbrücke. Der Umgang mit Fuß- und Radverkehr an Baustellen ist oft nicht gut.
Deshalb wollen wir Sie über diese konkrete Situation hinaus dazu auffordern, sich bei Baustellenanordnungen zukünftig verbindlich an einem guten Leitfaden zu orientieren, z.B. dem Leitfaden Baustellen der AGFK-BW.
Darin heißt es: „Die Sicherheit ist für alle Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Insbesondere Fußgänger und Radfahrer dürfen nicht gefährdet werden […]“
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Auf ein gutes Miteinander im Straßenverkehr.
Dieser offene Brief wird auch auf unserer Homepage www.offenburg.adfc.de veröffentlicht.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Kunschner und Michael Scherwitz
Vorsitzende des ADFC Offenburg
Quellen und Links:
Pressemeldung zum Erreichen der AGFK-Qualitätsstufe:
https://www.offenburg.de/de/pressemeldungen/detail/nachricht-seite/id/19686-fuss-und-radverkehr-offenburg-wird-erstmals-fuer-das-erreichen-der-qualitaetsstufe-ausgezeichnet/
Vier Typen von Radfahrenden, nur 0,5% gehören zur Gruppe „Stark und Furchtlos“:
https://www.adfc.de/artikel/die-vier-typen-von-radfahrenden-als-grundlage-der-radverkehrsplanung
Schulradwegkarten der Stadt Offenburg:
https://offenburg.de/de/bauen-und-umwelt/verkehr/verkehr-in-offenburg/radverkehr/
Leitfaden Baustellen der AGFK:
https://www.agfk-bw.de/angebote/details/baustellenleitfaden-4598
Broschüre „Einladende Radverkehrsnetze“ des Bundesverkehrsministeriums:
https://www.aktivmobil-bw.de/fileadmin/user_upload/1_Radverkehr_in_BW/e_Foerdermittel/Broschuere_StadtundLand_BMDV.pdf